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Meine Entscheidung zur Präimplantationsdiagnostik (PID)

Die Entscheidung über die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) ist etwas Besonderes und eine wirkliche Gewissensentscheidung. Ich habe mir Zeit für die Vorbereitung meiner Entscheidung genommen, alle Gesetzentwürfe aufmerksam gelesen um ein möglichst umfassendes Bild zu erhalten und meine Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen zu Ende gedacht. Am Ende dieses Abwägungsprozesses stand die Entscheidung, den Gesetzesentwurf meiner SPD-Kollegin Dr. Carola Reimann u.a. zu unterstützen. In diesem Antrag wird gefordert, dass die PID in Ausnahmefällen zulässig sein darf.

Lesen Sie hier die ausführliche Erklärung für meine Entscheidung:

Präimplantationsdiagnostik (PID) bezeichnet die genetische Untersuchung von Embryonen aus künstlicher Befruchtung vor der Übertragung in die Gebärmutter. Dabei werden von mehreren Embryonen diejenigen ausgewählt, bei denen bestimmte Dispositionen für Erbkrankheiten oder chromosomale Veränderungen ausgeschlossen werden können. Bisher war die PID durch das Embryonenschutzgesetz verboten. Der Bundesgerichtshof urteilte am 6. Juli 2010 jedoch, dass das Gesetz kein grundsätzliches Verbot umfasst und damit gesetzlicher Regelungsbedarf besteht. Es liegen drei Vorschläge zur gesetzlichen Regelung vor, die als Gruppenanträge jeweils fraktionsübergreifend eingebracht wurden.

Selbstverständlich dürfen Menschen nicht wegen einer Behinderung benachteiligt oder gar diskriminiert werden. Das sagt unsere Verfassung und das sagt auch die UN-Behindertenrechtskonvention. Die Umsetzung diese Konvention ist seit der Ratifizierung im Jahr 2008 ein zentrales Anliegen der SPD-Bundestagsfraktion. Diese Selbstverständlichkeiten habe ich auch am 9. Januar in meiner Laudatio zur Ehrung der „Neudorfer Bürger des Jahres“ für den Verein Lebenshilfe betont, die man hier nachlesen kann.

Mit der PID gibt es die Möglichkeit, schwere Erbkrankheiten noch vor der Implantation der Embryonen zu erkennen. Fehl- und Todgeburten und die Weitergabe besonders schwerer Erkrankungen können somit im Vorfeld verhindert werden. Der Staat trägt sowohl die Verantwortung für das geborene als auch für das ungeborene Leben. Hierbei ist aber auch der Schutz der Frauen vor schweren körperlichen und seelischen Belastungen sehr wichtig.

Vor allem Paare, die bereits ein schwerkrankes Kind haben oder vielleicht schon eine Todgeburt hatten, sehen sich oft in einem Konflikt. Vorbelasteten Paaren muss die Möglichkeit geboten werden, eigene genetisch gesunde Kinder zu bekommen. Ein Verbot der PID würde dies deutlich erschweren. Eine Untersuchung auf eine mögliche Erkrankung des werdenden Kindes ist dann nur noch im Mutterleib möglich. Diese Untersuchungen sind bereits heute rechtlich zulässig. Allerdings stellen sowohl die Untersuchung und die mögliche Folge einer (Spät)Abtreibung eine enorme Belastung und auch Gefährdung für die Mutter dar. Durch die PID wären solche Untersuchungen mit einer deutlich geringeren Gefährdung der Mutter möglich. Es stellt sich uns also auch die Frage, wieso wir eine Untersuchung vor der Implantation verbieten wollen, die nach einer erfolgreichen Implantation bereits erlaubt ist.

Über die Durchführung einer PID muss in jedem Einzelfall gesondert entschieden werden. Das ESchG muss dabei um eine wichtige Regelung erweitert werden, welche die Voraussetzung und das Verfahren einer PID festlegt. Nach einer umfassenden Aufklärung des Elternpaares und einem positiven Votum einer interdisziplinär zusammengesetzten Ethik-Kommission muss das PID bei Elternteilen, die Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen oder mit einer Tod- oder Fehlgeburt zu rechnen ist, zulässig sein. Wichtig dabei ist, dass die Durchführung einer PID nur in entsprechend lizenzierten Zentren zuzulassen ist. „Erbkrankheiten“ sind nach derzeitigem Kenntnisstand monogen bedingte Erkrankungen und Chromosomenstörungen. „Schwerwiegend“ sind diese, wenn sie sich durch eine geringe Lebenserwartung oder Schwere des Krankheitsbildes und schlechter Behandelbarkeit von anderen Erbkrankheiten wesentlich unterscheidet.

Der Bundesgerichtshof hat im vergangenen Jahr festgestellt, dass die PID zur Entdeckung schwerer genetischer Schäden unter bestimmten Voraussetzungen straffrei ist und mit dem durch das Embryonenschutzgesetz verfolgten Zweck des Schutzes von Embryonen vor Missbräuchen im Einklang steht. Zudem stellte der BGH fest, dass die PID schwerwiegende Gefahren infolge eines späteren ärztlich angezeigten Schwangerschaftsabbruches im Vorfeld vermeiden würde.

Wichtig ist für mich auch, dass die Freiwilligkeit der Vornahme einer PID in besonderem Maße hervorgehoben wird. Diese muss auch rechtlich abgesichert sein. Dem dient die „Gewissensklausel“. Damit wird einem möglichen Trend in der Gesellschaft, der das gesetzliche Recht auf eine PID einmal quasi zur Pflicht werden lassen könnte, vorgebeugt.

Gleichzeitig sind wir als Parlamentarier bei Entscheidungen von dieser Tragweite in der Verantwortung auf einer verlässlichen Grundlage die Praxis der PID überprüfen zu können. Dazu muss die Bundesregierung in jeder Legislaturperiode einen Bericht zur Einschätzung der Konsequenzen einer Anerkennung der PID vorlegen.

Nach Abwägung aller Argumente glaube ich, dass eine begrenzte Zulassung der PID den individuellen Freiheitsanspruch auf der einen Seite und den Schutz allgemeiner Rechtsgüter durch den Staat auf der anderen Seite am ehesten zu einem gerechten Ausgleich führt.

Weitere Erklärungen zu meinem Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag finden Sie in der Rubrik "Gläserne Abgeordnete" unter dem Punkt "Ich stimme für Sie..."


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